Premiumwohnen im Alter
Quelle: Dr. Johannes Rückert, Geschäftsführer der Augustinum Gruppe (München)
Welche Angebote gibt es für das Leben im Alter und wo bin ich für den Fall der Pflege gut aufgehoben? Ein kleiner Ratgeber zu den Angeboten auf dem Markt und dem besonderen Segment der Seniorenresidenzen.
Pflegebedürftigkeit geht mit hohem Aufwand einher
Von den gut 22 Millionen Rentnern in Deutschland leben fast alle in ihrem angestammten Zuhause. Das klassische „Altenheim“, also eine Einrichtung, in die man aus keinem anderen Grund als dem des Alters einzieht, gibt es praktisch nicht mehr. Der Beweggrund für einen Umzug in ein anbieterbetriebenes Wohnkonzept ist fast immer eine mehr oder weniger erhebliche Pflegebedürftigkeit. Dennoch leben in Deutschland gerade einmal etwa 700.000 der ca. 2,5 Mio. pflegebedürftigen älteren Menschen in solchen auch als „vollstationär“ bezeichneten Pflegeheimen. Somit verbleiben mehr als zwei von drei pflegebedürftigen älteren Menschen in ihrem bisherigen Zuhause, wo sie oftmals zunehmend auf die Hilfe von Angehörigen angewiesen sind: Nur die Hälfte der zu Hause versorgten Pflegebedürftigen nimmt eine Unterstützung durch mobile Dienste in Anspruch; aber auch diese können keine vollständige Versorgung leisten, da sie in der Regel nur einmal täglich und nur für kurze Zeit in die Wohnung des Pflegebedürftigen kommen. Somit verbleibt in vielen Fällen eine Belastung für die Familie.
Wohnen im Alter ohne Pflegebedürftigkeit
Nur eine Minderheit der deutschen Senioren erwägt einen Umzug in eine altersgerechte Wohnform, bevor eine Pflegebedürftigkeit eintritt. Dies wäre aber unter einem Vorsorgegesichtspunkt in vielen Fällen sinnvoll; altersgerechte Wohnformen bieten nicht nur Sicherheit für den Fall einer (plötzlich auftretenden) Pflegebedürftigkeit, sondern stellen auch – je nach Konzept mehr oder weniger umfangreiche – Komfort- und Entlastungsleistungen zur Verfügung. Die Modelle „Senioren-WG“ und „Mehrgenerationenhaus“ erscheinen dabei trotz ihrer starken Präsenz in den Medien lediglich als Nischenlösungen, die auch nicht für jedermann in Frage kommen. Das weitaus häufigste Modell des altersgerechten Wohnens neben dem vollstationären Pflegeheim ist das sogenannte „Betreute Wohnen“. Da dieser Begriff – wie viele Begriffe im Seniorensektor – nicht geschützt ist, kann sich hinter einem Betreuten Wohnen eine Vielzahl von Angeboten und Konzepten verbergen; in der Regel handelt es sich um eine barrierefreie Wohnung in einem Mehrparteienhaus zum Kauf oder zur Miete mit einem ergänzenden Dienstleistungspaket, welches einen Hausnotruf und einen zu bestimmten Zeiten präsenten Ansprechpartner beinhaltet. Wie viele betreute Wohnungen es in diesem Sinne in Deutschland gibt, ist aufgrund der Kleinteiligkeit des Marktes und seines starken Wachstums schwer zu beziffern; Experten gehen von etwa 300.000 Wohneinheiten aus.
Eine Stufe oberhalb des klassischen Betreuten Wohnens angesiedelt ist das Premiumwohnen, welches sich ebenfalls primär als Sicherheits- und Komfortlösung an Seniorinnen und Senioren ohne akuten Unterstützungsbedarf richtet und neben dem Wohnangebot mit umfangreichen Betreuungs- und Dienstleistungen aufwartet. Es gibt in Deutschland etwa 160 Einrichtungen des Premiumwohnens, die häufig unter den Begriffen „Seniorenresidenz“ oder „Wohnstift“ auftreten. Auch diese Begriffe sind jedoch weder scharf definiert noch geschützt, sodass sie teilweise auch von vollstationären Pflegeheimen geführt werden. Zu einer „echten“ Seniorenresidenz gehört jedoch ein umfassendes Wohn- und Dienstleistungskonzept, das die Angebote eines gehobenen Hotels mit denen einer guten Pflegeeinrichtung verbindet.
Die Zielgruppe des Premiumwohnens schätzt Selbstbestimmung
Während ein Umzug ins Pflegeheim meist erfolgt, wenn ein selbstständiges Leben zuhause nicht mehr möglich ist, richtet sich das Angebot des Premiumwohnens an eine Zielgruppe, die sich ganz bewusst und ohne akute Not für einen Umzug in ein anbieterbetriebenes Wohnen entscheidet, um dort angebotene Komfortleistungen zu genießen und gleichzeitig für eine mögliche spätere Pflegebedürftigkeit vorzusorgen.
Zentraler Bestandteil des Premiumwohnens ist das eigene Appartement, ein vollwertiges Zuhause, das der Bewohner mit seinen eigenen Möbeln einrichtet: Sei es mit lieb gewordenen Erinnerungsstücken oder in bewusster Abgrenzung von der Vergangenheit mit einer vollständig neuen Einrichtung. Die Mitarbeitenden einer guten Einrichtung des Premiumwohnens beraten Interessenten zu der für sie optimalen Lösung. In der Regel verfügt ein Appartement des Premiumwohnens über ein barrierefreies Bad und eine eigene Kochgelegenheit; am wichtigsten ist jedoch, dass das Appartement eine abgeschlossene Wohneinheit darstellt, in der der Bewohner seine Privatsphäre genießt und die Tür hinter sich zuziehen kann, wenn er ungestört sein will. Dies mag banal klingen, ist aber gerade im Vergleich mit vollstationären Pflegeeinrichtungen und dem dort als Standard umgesetzten Wohngruppenmodell nicht selbstverständlich.
Die Annehmlichkeiten des Premiumwohnens lassen sich weitgehend mit denen eines gehobenen Hotels vergleichen. So verfügt eine Einrichtung in diesem Segment meist über einen eigenen Empfang, der Telefonate entgegennimmt, Besucher sowie Post empfängt und für Fragen des täglichen Lebens zur Verfügung steht: Sei es die Anfertigung einer Kopie oder eine Fahrplanauskunft – die Rezeption ist der zentrale Anlaufpunkt des Hauses. Daneben bietet eine Einrichtung des Premiumwohnens zahlreiche Räumlichkeiten, die den Bewohnern spontan oder nach Buchung zur Verfügung stehen. Dazu zählen beispielsweise Schwimmbad oder Sauna, Kegelbahn, Physiotherapie, Fußpflege, Fitnessstudio, Gymnastikraum, Friseursalon, Einkaufsladen, Café, Kapelle, Kino- und Theatersaal, Vortragsraum oder Bibliothek. Das können aber auch einfach Aufenthaltsräume sein, in denen Sessel und Stühle zum Lesen, Kartenspielen, Weintrinken, Unterhalten, Ausrichten von Feierlichkeiten und vielem mehr einladen.
Auch kulinarisch deckt Premiumwohnen den Bedarf vom Frühstück über das Mittagessen bis zur Abendmahlzeit auf einem hohen Niveau ab – sowohl für langjährige Bewohner als auch für das Team der selbstverständlich eigenen Küche ist dabei die Abwechslung besonders wichtig: Da darf auf ein Rinderfilet auch einmal ein Eintopf folgen, solange die Qualität von Zutaten und Zubereitung stimmt. Daneben zeigt das Küchenteam anlässlich vielfältiger Feste zu Feiertagen, Jubiläen oder auch bei privaten Anlässen einzelner Bewohner gerne, was es in der Spitze leisten kann.
Premiumwohnen bietet seinen Bewohnerinnen und Bewohnern ein abwechslungsreiches Unterhaltungs- und Kulturprogramm. Während das Klischee die Seniorinnen und Senioren im Altersheim gerne beim Häkeln oder Bingo spielen abbildet, kann Premiumwohnen viel mehr: Die Räumlichkeiten und die dafür ausgebildeten Mitarbeitenden bieten Vielfalt von der Kinovorführung über Theater- und Ballettaufführungen, klassische und moderne Konzerte, natur- und geisteswissenschaftliche Vorträge, Sprachkurse, Gedächtnistrainings, Fitness-, Gymnastik- und Yogakurse bis hin zu Exkursionen und Ausflügen. Fehlt ein Angebot auf der umfangreichen Liste, so sind die Mitarbeitenden jederzeit gerne behilflich, auch solche Wünsche zu erfüllen, die die Einrichtung nicht selbst leisten kann: Von den Operntickets bis zur Urlaubsreise wird alles gerne organisiert, gleich dem Conciergeservice in einem guten Hotel. Dies gilt natürlich auch für die Vermittlung von Reinigung und Wäscheservice, soweit die Einrichtung entsprechende Leistungen nicht ohnehin selbst anbietet.
Während das Dienstleistungsangebot also stark von der Hotellerie abgeleitet ist und auch etliche Einrichtungsleiter im Premiumwohnen aus der Spitzenhotellerie kommen, leben die Menschen nicht zu Erholungszwecken in einer Einrichtung des Premiumwohnens. Auch wenn einzelne Bewohnerinnen oder Bewohner mehr als 30 Jahre in einer Einrichtung leben und man nicht täglich darüber spricht: Den Bewohnerinnen und Bewohnern ist es bewusst, dass das Premiumwohnen ihr letztes Zuhause ist. Und so gehört der Umgang mit nachlassenden Kräften, dem Tod und der Trauer, professionell und zugewandt, für die Mitarbeitenden immer mit dazu. Einige Anbieter beschäftigen gar eigene Seelsorgerinnen und Seelsorger, deren Gesprächs- und Begleitungsangebote auch von nicht-konfessionellen Bewohnerinnen und Bewohnern gut angenommen werden.